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Bin ich eine Bäuerin?

Du kennst das?
Du hattest Träume, Wünsche, Visionen?
Du hättest einen anderen Plan gehabt, als dir das Leben vorschlägt. Allerdings nimmst du die Herausforderung an. Du gehst diesen Weg, wohin auch immer er dich führt.
 
Aber trotzdem. Ich stelle mir manchmal die Frage, was es uns damit sagen will. Ich weiß es gerade nicht.

Mehr oder weniger hatte ich mir das Leben einer Bäuerin anders vorgestellt. Nachdem mich das Schicksal ein zweites Mal auf einen Bauernhof gebracht hatte, stürzte ich mich voller Leidenschaft in dieses Leben am Hof, mit allem, was dazugehört. Ich wollte RICHTIG Bäuerin sein, obwohl ich gleich an meiner Kochkunst gescheitert bin.  Das Kulturgut „Schmalzgebäck“ auf unserem Hof ist dank meines Talentes ausgestorben, aber auch aufgrund der Hühnereiweißunverträglichkeit unseres Sohnes.

Und Dirndlkleider sind wie bereits erwähnt auch nicht so mein Ding, da gehe ich lieber mit zerrissenen Jeans.

Ja, ich konnte nicht wirklich kochen, denn ich habe mich jahrelang mit Einkauf und Entwicklung von Golfschlägern und Carbonschistöcken beschäftigt, und das oft bis tief in die Nacht hinein, sehr zur Freude meines damaligen Chefs. Er gehörte noch zur alten Schule und bewerte das Können der Mitarbeiter anhand der Überstunden.  Todmüde zu Hause angekommen, war ich nur froh, etwas Essbares im Kühlschrank zu finden, aber da war keine Zeit mehr, mich in die Küche zu stellen und neue Rezepte auszuprobieren.

Von Blumen und Garten? Das war auch ein Kapitel, von dem ich nicht wirklich Ahnung hatte. Wie auch? Abgesehen von zwei kümmerlichen Blumenkisten auf dem Balkon und Schnittlauch in der Tiefkühltruhe gab es bei mir nichts Grünes, da kann man keinen grünen Daumen oder Wissen über Kräuter erwarten.

Die Kühe waren ebenfalls ein eigenes Thema. Im Grunde fürchtete ich diese großen, schwerfälligen Tiere zu Tode. Es hat etwas gedauert, bis ich ihnen vertraute und sie sich mir gegenüber als liebenswerte herzerwärmende Lebewesen zeigten, die gerne meine Streicheleinheiten genossen.

In meinen Anfangsjahren als Bäuerin war ich sogar vor meiner eigenen Kuh davongerannt, wobei sie nur wollte, dass ich ihr den Weg zu ihrer Herde zeige. Sie hätte meine Hilfe benötigt und ich habe sie völlig falsch eingeschätzt. Aber na, ja, von Golfschlägern kann man keine Kenntnisse über Kühe erlangen.

Wir haben ein Haus übernommen, das vom Keller bis zum Dach aus den 1970er-Jahren stammte. Heute wäre es vielleicht Kult, aber damals habe ich das als schlimm empfunden.

Gott sei Dank sind die Zeiten vorbei, in denen man sich dem Wohngeschmack anderer unterwerfen muss. Auch wenn dies bisher nicht in allen Köpfen angekommen ist, insbesondere auf einem Bauernhof. Zu oft ist noch die Meinung vertreten, die „Jungen“ müssten alles annehmen, so wie es ist, am besten nichts verändern.

Als „Zuag'heiratete, nicht von einem Bauernhof stammende“ hatte ich es ohnehin nicht leicht.  Aber ich bin stolz darauf, dass ich mich stets auf mich allein gestellt und mich erfolgreich im Berufsleben behauptet habe. Daher wollte ich mich auch am Bauernhof nicht kleiner machen, als ich bin – auch wenn ich am Anfang ziemliche Zweifel hatte, ob ich dem auch wirklich gewachsen bin. Schließlich hatte ich von vielen Dingen am und um den Hof keine Ahnung.

Aber ich habe die Herausforderung angenommen.
Schritt für Schritt haben wir den Hof renoviert und modernisiert.

Tag und Nacht haben wir getüftelt, waren ständig auf der Suche nach neuen Ideen. Das Ziel war, aus dem Hof etwas zu machen, von dem wir leben können.  Der Stall war alt und klein, und die Straße, die sich hinter uns befand, beschränkte zusätzlich unsere Möglichkeiten. Aber wir haben es versucht.

Wie viele Nächte habe ich Dinge erledigt, die ich am Tag nicht geschafft habe … Wenn ich mir am Nachmittag einen Kaffee zum Wachbleiben gegönnt habe, bin ich der alten Denkweise ins Visier geraten.

Wir haben viel erreicht, unter anderem die Bio-Zertifizierung, Urlaub am Bauernhof Betrieb mit vier Blumen, Archehof für seltene Nutztierrassen und Hofladen. Ich habe mir einen Bauerngarten mit vielen Kräutern und viel Liebe angelegt und Kochen gelernt. Mittlerweile verwöhnen wir unsere Gäste mit einem ganz besonderen Bauernhof-Frühstück mit viel Handgemachtem, hauptsächlich Brot aus Urgetreide. Für Jene, die nicht Hausgäste waren, aber die ebenfalls gerne königlich-bäuerlich frühstücken wollten, haben wir unsere speziellen Frühstückskörbe To-Go angeboten.

Wir waren überzeugt, dass dies der richtige Weg ist. Für den, der es sich lohnt, auf vieles zu verzichten. Danach war ich noch Ortsbäuerin und Mitglied im Bezirksausschuss.

So soll es doch sein, oder? Das war es doch, was ich wollte.

Die Quereinsteigerin hat es geschafft, trotz aller Vorurteile.

Ich war eine RICHTIGE Bäuerin.

Oder doch nicht?

Diese Ämter habe ich schon vor Ablauf der Periode zurückgelegt. Ich muss mich nicht für etwas verbiegen, was ich nicht bin. Ja, richtig, ich bin das nicht.

Wie viele Rückschläge haben wir einstecken müssen?

Wie oft habe ich Verabredungen mit Freundinnen absagen müssen, weil ich es nicht geschafft habe, vom Hof wegzukommen und mir einige Stunden freizunehmen?

Urlaub, - ein Fremdwort, oder?

Doch eines Tages zeigt es das Leben, dass es so nicht weitergehen kann, wie es ist, dass es so vieles gibt, was ich bisher nicht erlebt habe, und Arbeit nicht alles ist.

Eine Bäuerin benötigt zwei gesunde Hände. Die habe ich leider im Moment nicht.
Vor etwa drei Jahren stürzte ich aus Stress und verletzte mich an der Hand.

Ich stürzte erneut. Auf die gleiche Hand. Wieder im Stress.

Seit dem ständig Schmerzen. Viele Dinge, die mir Freude bereiten, sind zurzeit nicht wirklich möglich. Und plötzlich dreht sich das Rad rückwärts.

Wir haben erkannt, dass Hofläden eine Illusion sind, es funktioniert einfach nicht, denn es geht um hochwertige Lebensmittel.  Es ist schwierig, vorherzusagen, welche und wie viele Produkte verkauft werden können. Die Margen sind niedrig.  Wie oft sammelte ich Berge von Joghurt ein, weil das Ablaufdatum erreicht war.  Ich habe mich immer wieder mit dem Thema auseinandergesetzt, weil mir die Verschwendung von Lebensmitteln zuwider ist und so habe ich diese immer weiterverarbeitet. Aber einmal geht das auch nicht mehr.  Außer Arbeit und Verlust hatten wir nichts von diesem Hofladen.  Und dann  war da ja noch die Geschichte mit der Hand. Auch die Frühstückskörbe konnten wir nicht mehr anbieten.

Letztlich haben wir keine andere Möglichkeit gesehen, unsere Kühe ebenfalls zu verkaufen. Wir hätten wieder in den Stall Geld und Zeit investieren müssen und es war nicht sicher, ob meine Hand wieder so gesund wird, dass ich auch diese Arbeit weiter machen kann.  Unsere alte Mistbahn ist nämlich einzigartig, da benötigt man viel Muskelkraft.  Wir haben in einem Museum in Deutschland eine Kopie davon entdeckt, wir arbeiten noch damit. Vielleicht wird sie eines Tages wieder modern? In Zeiten der Klimakrise stellen sich viele Menschen die Frage, wie sie ihren Beitrag leisten können. Wir haben eine Idee für eine handbetriebene Variante einer Entmistung, die gleichzeitig auch noch das Fitnessstudio ersetzt.

Es ist mir sehr schwergefallen, die Kühe gehen zu lassen. Da geht ein Teil des Herzens mit. Es tut mir immer noch weh.
 
Nun haben wir auch den Bio-Kontrollvertrag gekündigt.  Die absurden Regeln und Vorschriften stehen in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu unserem Hof, der aus fünf Schafen, zwei Widdern, drei Ziegen und einem Bock besteht. Ich habe die Esel nicht dazugezählt, weil sie keine Nutztiere sind. Und einige Hühner laufen natürlich umher.

Und dann sind wir ja noch ein Urlaub am Bauernhofbetrieb – ein Paradies für Kinder – so sagt es ja die Werbung. Der Bauer und die Bäuerin haben laut den Bildern den ganzen Tag Zeit, den wissbegierigen kleinen Geschöpfen die Landwirtschaft näherzubringen.  Wie oft sieht man in den Werbespots eine Bäuerin, die alles mit einem Lächeln managt, neben den Tieren am Hof auch noch die Gäste versorgt und ohnehin für alles Zeit hat. Nur, wenn man die Arbeit nicht mehr schafft, weil die Hand nicht mitspielt … was macht man dann?

Wie oft wurden wir blöd angepöbelt oder sogar beschimpft, weil wir uns aufgrund der Situation entschieden haben, Kinder unter 12 Jahren nicht mehr aufzunehmen. Noch dazu sind wir ohnehin durch unsere Bewirtschaftungsform nicht beliebt bei den Kleinen, weil die Tiere im Sommer auf der Alm sind.  Dann kann man aufgrund der Hanglage auch nicht Go Cart fahren oder Fußball spielen, viele Neugierdsnasen haben uns als „öde“ bezeichnet.

War das meine Vorstellung eines idealen Hofes und einer perfekten Bäuerin?

Nein, Aber ich habe begriffen, dass ein Kampf für etwas gleichzeitig ein Kampf dagegen ist. Es kostet nur viel Kraft und Energie, was mich müde und erschöpft zurücklässt und mich nicht weiterbringt.

Die Frage nach dem Warum stelle ich nicht, da es keine Antwort darauf gibt. Aber ich frage mich, was das Leben mir sagen möchte. Warum ist die Hand immer so handlungsunfähig, warum kann ich mein Leben gerade nicht wirklich in die Hand nehmen?

Wenn wir uns verrannt haben, sind wir von Anfang an in die falsche Richtung unterwegs gewesen. Wie soll es mit unserem Herzensprojekt weitergehen?

Zu diesem Zeitpunkt liegen viele Steine um unseren Hof herum, aber ich habe derzeit keine Vorstellung, was ich daraus bauen soll. Ebenso bin ich auf eine zweite Hand angewiesen, die im Moment nicht einsatzfähig ist.  Es ist mir nicht möglich, die Steine zu bewegen.

Ich bin mir derzeit nicht sicher, ob es sich für mich gelohnt hat. War diese Energie, die wir verbraucht haben, wirklich sinnvoll eingesetzt? Diese vielen kostbaren Momente, die wir nicht erlebt haben, wert sie versäumt zu haben?

Was ist unser Weg? Wir stehen vor einer Weggabelung und wissen nicht, welche Richtung wir einschlagen sollen.
Manchmal hoffe ich, dass ein Wunder geschieht, und es Ideen und Möglichkeiten regnet. Doch leider ist das nicht so.

Es ist das Traurige an der Geschichte, dass du als Bauer vollkommen auf dich allein gestellt bist. Es gibt kein Krankengeld, keine Unterstützung und nur leere Worte. Unsere Interessenvertretung rät uns immer wieder, eine Arbeit anzunehmen und den Hof sein zu lassen. Ich habe oft gehört, dass unsere Bemühungen keinen Erfolg haben werden. Doch, ist es nicht sinnvoller, die Existenz der Bauern zu sichern, auch wenn sie noch so klein sind?

Obwohl ich den Begriff „Scheitern“ für eine Erfahrung halte, die man im Leben machen muss, bin ich der Meinung, dass wir gerade daran scheitern, dass wir nicht das größte Güllefass der Welser Messe zu Hause stehen haben. Dann würde sich vieles auf andere Art gestalten, insbesondere was die Unterstützung angeht.

Ich habe viele Fragen im Kopf. Auch wenn ich Antworten finde, werde ich wieder an die Grenze „Hand“ stoßen. Solange die nicht funktioniert, kann ich mich nur von dem Fluss des Lebens treiben lassen, ob ich will oder nicht.

Es kommt, wie es kommt. Vielleicht ist es das, was mir das Leben zeigen möchte.

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